Was gibt's Neues?

Die Pandemie macht es möglich: Betriebsratsarbeit vorübergehend digital zulässig!

Ein Überblick zu vielen neuen Regelungen der letzten zwei Wochen

Die Schlagzahl, in der angesichts der aktuellen Krise neue Gesetze und Regelungen erlassen werden, ist enorm. Allein in der vergangenen Woche wurden zwei große Gesetzespakete, das sogenannte Arbeit-von-Morgen-Gesetz sowie das Sozialschutz-Paket II, abschließend beschlossen.

Die beiden Gesetzespakete enthalten viele Neuerungen, die teilweise Ergänzungen zu bereits beschlossenen Regelungen zur Überwindung der Herausforderungen der Pandemie darstellen oder bislang nicht behandelte Probleme lösen sollen. Wir liefern hier einen ersten Überblick:

  1. Digitale Betriebsratsarbeit

Grundsätzlich sollte das Arbeit-von-Morgen-Gesetz die Weiterbildungsförderung von Beschäftigten und die Regelungen für die Ausbildungsförderung verbessern. Dies soll nur der Anfang mehrerer Reformen zur Anpassung der Arbeitswelt an den technischen Fortschritt sein. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ließ in den vergangenen Tagen verlauten, dass unter anderem die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf mobile Arbeit, etwa im Home-Office, erwogen wird. Ein kleines Einmaleins zur betrieblichen Einführung von Homeoffice-Arbeitsplätzen finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 06.04.2020. Aufgrund der Coronakrise wurden in das Arbeit-von-Morgen-Gesetz jedoch kurzfristig noch weitere Regelungen zum Umgang mit den Folgen der Pandemie aufgenommen. So kam es, dass der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf dessen Homepage veröffentlichte Gesetzesentwurf die kurzfristig hinzugefügten Regelungen noch gar nicht beinhaltete. Hierzu gehört auch der neue § 129 BetrVG. Dieser sieht vor, dass Sitzungen sowie Beschlussfassungen des Betriebsrats, Gesamt- sowie Konzernbetriebsrats mittels Video- und Telefonkonferenz stattfinden können.

Angesichts der erheblichen Einschränkungen der Arbeitswelt und des betrieblichen Alltags in den vergangenen Wochen waren die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Betriebsräte vor dem Hintergrund der rechtlichen Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes stark eingeschränkt. Das BetrVG sah bisher keine Möglichkeit von Video- und Telefonkonferenzen vor. Da eine Betriebsratssitzung demnach klassisch analog in Präsenzsitzungen stattfinden musste, waren formell ordnungsgemäße Beschlussfassungen in Zeiten von Abstandsregelungen und Homeoffice extrem erschwert. Zwar hat der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in einer Ministererklärung im März mitgeteilt, dass nach seiner Auffassung eine Teilnahme an Betriebsratssitzungen über Video- und Telefonkonferenzen zulässig sei. Dies traf jedoch aufgrund der klar entgegenstehenden Rechtslage auf reichlich Kritik aus der Praxis, sodass von einer digitalen Betriebsratssitzung in den letzten Wochen oftmals abgeraten wurde. Mehr zu der genannten Ministererklärung und der bisherigen Rechtslage finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 25.03.2020.

Nun erklärt der neue § 129 BetrVG vorübergehend die Teilnahme an Betriebsratssitzungen über Video- und Telefonkonferenzen ausdrücklich für zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse, die auf Sitzungen gefasst werden, die über Video- oder Telefonkonferenzen abgehalten wurden. Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 01.03.2020, um bereits auf diese Weise abgehaltene Betriebsratssitzungen und dort gefasste Beschlüsse nachträglich zu legitimieren.

Was gilt es zu beachten?

Der Betriebsratsvorsitzende entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, in welcher Form eine Betriebsratssitzung abgehalten werden soll. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung sind beispielweise angesichts der Infektionsgefahr die Größe des Gremiums und die Größe der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten zu berücksichtigen. Bei alledem ist vom Grundsatz der Präsenzsitzung auszugehen. Telefon- und Videokonferenzen sollten die Ausnahme darstellen, die aber gerade jetzt genutzt werden dürfen.

Die neue Regelung spricht ihrem Wortlaut nach ferner von der Möglichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen in Form von Video- und Telefonkonferenzen. Das bedeutet, dass es neben reinen Präsenz- oder komplett digitalen Betriebsratssitzungen auch möglich sein soll, dass einzelne Betriebsratsmitglieder per Video- und Telefon zur Sitzung hinzugeschaltet werden, also eine Art „gemischte“ Sitzung und Beschlussfassung stattfindet.

Bei allen Sitzungen muss zur Wahrung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit ferner sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dies führt bei digitalen Sitzungen zu besonderen Herausforderungen. Deshalb müssen vorab entsprechende technische sowie organisatorische Maßnahmen ergriffen werden. Per Video oder Telefon zugeschaltete Teilnehmer sollten beispielsweise in geschlossenen Räumen sitzen. Auch dürfen nur technische Einrichtungen/ Programme zur Durchführung der Video- oder Telefonkonferenzen genutzt werden, die erprobt sind und den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist ausdrücklich untersagt.

Zudem müssen die Teilnahmerechte der Schwerbehindertenvertretung und der JAV nach dem BetrVG beachtet und – wie immer – ein Sitzungsprotokoll angefertigt werden. Diesem ist nach § 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG eine Anwesenheitsliste beizufügen. Da eine handschriftliche Bestätigung der Teilnahme per Videocall und Telefon nicht möglich ist, haben die betreffenden Teilnehmer dem Vorsitzenden ihre Teilnahme in Textform zu bestätigen. Dies ist z. B. per E-Mail, SMS oder Messengerdienst darstellbar, soweit beim Empfänger eine lokale Speicherung der Nachricht grundsätzlich möglich ist.

Die vorstehend skizzierten Regelungen gelten nicht nur für Betriebsräte, sondern auch für die weiteren im BetrVG vorgesehenen Gremien (u. a. GBR, KBR, JAV) sowie für die Ausschüsse, die im Betriebsrat und den weiteren Gremien gebildet werden.

Die dargestellte Nutzung der technischen Möglichkeiten nach § 129 BetrVG gilt schließlich auch ausdrücklich für Einigungsstellen.

Zudem dürfen Betriebsversammlungen audiovisuell durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur berechtigte Personen die Möglichkeit der Teilnahme haben. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu Betriebsratssitzungen eine reine Telefonkonferenz für Betriebsversammlungen nicht ausreicht. Es muss eine durchgängige Sicht- und Hörbarkeit aller Teilnehmen bestehen. Eine Aufzeichnung der audiovisuellen Versammlung ist nicht zulässig.

  1. Anpassungen und Ermächtigungen zum Kurzarbeitergeld

 Darüber hinaus erhält das Arbeit-von-Morgen-Gesetz noch zwei ergänzende Regelungen hinsichtlich der bereits getroffenen Maßnahmen zum Kurzarbeitergeld. Zunächst wird die Bundesregierung ermächtigt, „in krisenhaften Situationen mit Branchen oder Regionen übergreifenden erheblichen Auswirkungen auf die Beschäftigung die Laufzeit des Kurzarbeitergeldes befristet auf bis zu 24 Monate zu verlängern, ohne dass der gesamte Arbeitsmarkt betroffen sein muss“.

Zudem entfällt für Bezieher von Kurzarbeitergeld, die während des Arbeitsausfalls als Minijobber eine Nebentätigkeit in systemrelevanten Branchen aufnehmen, ab April die Anrechnung des daraus erzielten Einkommens auf das Kurzarbeitergeld vollständig.

Über die bereits erfolgten Änderungen beim Thema Kurzarbeit im Zuge der Pandemie hatten wir in unserem Blogbeitrag vom 20.03.2020 berichtet.

  1. Sozialschutz-Paket II

Bei dem von der Bundesregierung erarbeiteten Sozialschutz-Paket II handelt es sich um eine Reihe von Maßnahmen, um die wirtschaftlichen und sozialen Härten der Krise soweit wie möglich weiter abzufedern. Über das Sozialschutz-Paket haben wir in unserem Blogbeitrag vom 30.03.2020 berichtet.

Zunächst sieht das Sozialschutz-Paket II weitere Verbesserungen für Bezieher des bereits erwähnten Kurzarbeitergeldes vor. Dieses lag bisher bei 60 bzw. 67 Prozent. Jetzt wird es unter bestimmten Voraussetzungen erhöht. Bis Ende des Jahres sollen Arbeitnehmer ab dem vierten Bezugsmonat 70 Prozent und ab dem siebten Bezugsmonat 80 Prozent der Nettoentgeltdifferenz erhalten. Einzige Voraussetzung ist dabei, dass die Arbeitszeit mindestens um 50 Prozent reduziert wird. Arbeitnehmer, die zusätzlich ein Kind unterhalten, erhalten ab dem vierten Bezugsmonat 77 Prozent und ab dem siebten Bezugsmonat 87 Prozent der Nettoentgeltdifferenz. Diese Maßnahme soll berücksichtigen, dass im Gegensatz zu früheren Wirtschaftskrisen die Arbeit und damit das Arbeitsentgelt in vielen Fällen vollständig ausfallen.

Des Weiteren wird für Personen, deren Ansprüche auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III in der Zeit vom 1. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020 wegen Ausschöpfen des Bezugszeitraums enden würden, die Anspruchsdauer pauschal um drei Monate verlängert. Normalerweise ist die Bezugsdauer nach dem Katalog der §§ 147, 148 SGB III auf 6 bis 24 Monate begrenzt, ohne dass es eine Verlängerungsmöglichkeit gibt. Auf diese Weise möchte die Bundesregierung der verschärften Situation für Arbeitsuchende auf dem Arbeitsmarkt Rechnung tragen: „Die außergewöhnliche Krisensituation schränkt aber auch für Arbeitslose in gravierender Weise die Möglichkeiten und Chancen ein, eine neue Beschäftigung aufzunehmen. Sie sind damit gerade in den kommenden Monaten auf die soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit angewiesen.“

Wie Sie sehen, bleibt der Gesetzgeber in der Krise also äußerst aktiv. Weitere Gesetzesänderungen beziehungsweise neue gesetzliche Regelungen sind zu erwarten.

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