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Kein Urlaub bei der Urlaubsrechtsprechung

BAG, Urteil vom 19.3.2019 – 9 AZR 406/17

Das BAG hatte wieder Gelegenheit sich zum Thema Urlaub zu äußern. Bei diesem Thema hat sich in den letzten Jahren viel getan, insbesondere weil das BAG seine zuvor über lange Zeit gefestigte Rechtsprechung an die des EuGH anpassen musste. In der hier besprochenen Entscheidung ging es schwerpunktmäßig um zwei Themen:

  1. Entstehen für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, z.B. aufgrund eines unbezahlten Sonderurlaubs, Urlaubsansprüche und
  2. wie ist der Urlaubsanspruch bei einem unterjährigen Wechsel der Anzahl der Wochenarbeitstage, an denen gearbeitet wird, zu berechnen?

Sachverhalt

Zwischen der klagenden Arbeitnehmerin und ihrem Arbeitgeber bestand schon seit 1988 ein Arbeitsverhältnis, für das ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder gilt. Am Anfang des Jahres 2014 beantragte die Arbeitnehmerin auf Grundlage des Tarifvertrags Sonderurlaub zur Pflege ihrer Angehörigen. Zuvor hatten die Parteien eine Teilzeitvereinbarung, nach der die Arbeitnehmerin befristet bis zum 31.07.2014 lediglich an drei Tagen in der Arbeitswoche arbeitete, getroffen. Der Arbeitgeber bewilligte diesen unbezahlten Sonderurlaub für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 31.01.2016.

Mit ihrer Klage begehrte die Arbeitnehmerin nun die gerichtliche Feststellung, dass ihr für die Zeit des Sonderurlaubs in den Jahren 2014 und 2015 noch Urlaubsansprüche zustehen, da zumindest der gesetzliche Mindestanspruch nach § 3 BurlG nicht beschränkt werden dürfe. In den ersten drei Monaten des Jahres 2014 hatte die Arbeitnehmerin lediglich 5 Tage Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Der Arbeitgeber verwies jedoch auf eine Regelung des geltenden Tarifvertrages, nach der sich die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat des Sonderurlaubs um ein Zwölftel vermindert.

Die tarifvertragliche Grundlage

Der einschlägige Tarifvertrag sieht unter anderem Regelungen über den seitens des Arbeitgebers zu gewährenden Erholungsurlaub vor. Danach steht den Arbeitnehmern bei einer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen je Kalenderjahr zu. Bei Vorliegen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, wenn also an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet wird, erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.

Für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, zum Beispiel aufgrund einer nach dem Tarifvertrag möglichen Gewährung von Sonderurlaub, ist vorgesehen, dass sich die Dauer des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat des Sonderurlaubs um ein Zwölftel vermindert.

Eine Entscheidung auf Linie der EuGH-Rechtsprechung

Ebenso wie die Vorinstanzen wies das BAG die Klage der Arbeitnehmerin ab. Nach Ansicht des Gerichts hat die Arbeitgeberin den seitens der Arbeitnehmerin im Jahr 2014 bestehenden Urlaubsanspruch erfüllt, indem sie ihr am Anfang des Jahres 5 Urlaubstage bewilligte. Aufgrund ihrer Tätigkeit in den ersten drei Monaten des Jahres hätten ihr 4,5 Urlaubstage zugestanden. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung: Bei einer 5-Tage-Woche beträgt der Jahresurlaubsanspruch nach dem Tarifvertrag 30 Tage. Bei einer 3-Tage-Woche dann entsprechend 18 Tage (30:5=6×3=18). Für anteilig drei Monate ergibt sich dann der Teilurlaubsanspruch von 4,5 Tagen (18:12=1,5×3=4,5). Dieser Teilurlaubsanspruch war durch die Gewährung von fünf Tagen Urlaub im Jahr 2014 erfüllt worden.

Darüber hinaus, entschied das BAG, sei seitens der Arbeitnehmerin kein Urlaubsanspruch entstanden, da die Regelung des Tarifvertrags, nach der sich die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat eines Sonderurlaubs um ein Zwölftel vermindert, wirksam sei. Hiermit weicht das BAG u.a. von seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 (BAG, Urt. v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12), in der es noch entschieden hatte, dass während eines unbezahlten Sonderurlaubs sehr wohl Urlaubsansprüche entstehen, ab. Damit beantwortet das BAG die oben aufgeworfene Frage 1 jetzt mit „Nein“. Es sieht sich dabei in Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH, der im letzten Jahr entschieden hatte, dass der Mindesturlaub um Zeiten des Elternurlaubs/ Elternzeit gekürzt werden könne, weil diese Zeiten nicht Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung gleichzustellen seien (vgl. EuGH Urt. v. 4.10.2018 – C-12/17). Auch während eines Sonderurlaubs werden keine tatsächlichen Arbeitsleistungen erbracht. Ausnahmen von diesem Erfordernis der tatsächlichen Arbeitsleistung sieht die Rechtsprechung allerdings bei erkrankten Mitarbeitern und für Zeiten des Mutterschaftsurlaubs/ Mutterschutz.

Unterjähriger Wechsel der Wochenarbeitstage

Bei einem unterjährigen Wechsel der Wochenarbeitstage hat das BAG den Urlaubsanspruch früher immer vom Zeitpunkt der Urlaubsgewährung ausgehend berechnet, also auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Arbeitszeitregelung abgestellt. Wechselte ein Arbeitnehmer z.B. zum 01.07. von einer 5- in eine 3-Tage-Woche und möchte dann im September, nachdem er zuvor noch keinen Urlaub genommen hat, seinen ganzen Jahresurlaub nehmen, standen ihm nach dieser Berechnungsmethode ausgehend von 30 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche nun nur noch 18 Tage zu (30:5=6×3=18), weil er den Urlaub in der 3-Tage-Woche-Phase nehmen wollte. Diese Methodik kann allerdings zu einer Kürzung des während der Vollzeitphase (5-Tage-Woche) „erdienten“ Urlaubsanspruchs führen. Dies hatte auch der EuGH mehrfach kritisiert. Das BAG ist nunmehr vollständig auf die Linie des EuGH eingeschwenkt und berechnet den Urlaub bei einem unterjährigen Wechsel der Wochenarbeitstage nach getrennten Zeitabschnitten. Bleibt man in dem skizzierten Beispiel und stellt die beiden Methoden gegenüber wird der Unterschied deutlich:

Alte Methode (Urlaub richtet sich nach der Arbeitszeitregelung zum Zeitpunkt der Gewährung): 18 Urlaubstage können im September genommen werden, weil allein auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Arbeitszeitregelung, also die 3-Tage-Woche, abgestellt wird.

Neue Methode (Berechnung nach Zeitabschnitten): Im ersten Zeitabschnitt (5-Tage-Woche-Phase bis 30.06.) werden 15 Tage erdient (30:12=2,5×6=15); im zweiten Zeitabschnitt (3-Tage-Woche-Phase) kommen weitere neuen Tage hinzu (18:12=1,5×6=9). Daraus folgt dann ein Urlaubsanspruch von insgesamt 24 Tagen (15+9=24) für das ganze Jahr. Dieser kann von dem Arbeitnehmer im September dann vollständig genommen werden.

Damit beantwortet das BAG auch die zweite oben aufgeworfene Frage: Bei einem unterjährigen Wechsel der Wochenarbeitstage hat die Urlaubsberechnung nach getrennten Zeitabschnitten und nicht nach der zum Zeitpunkt der Urlaubsgewährung geltenden Arbeitszeitregelung zu erfolgen. Auch insofern übernimmt das BAG die Rechtsprechung des EuGH und hält an seiner anderslautenden Rechtsprechung, die es vor gar nicht allzu langer Zeit noch vertreten hat (vgl. BAG 14.3.2017 – 9 AZR 7/16), nicht mehr fest.

Fazit

Somit heißt es für Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber weiterhin die Rechtsprechung des BAG und des EuGH zu den geltenden Urlaubsregelungen im Blick zu behalten, denn diese Rechtsprechung scheint nie Urlaub zu nehmen, sondern ständig im Fluss zu bleiben. Dies belegt das BAG eindrucksvoll, wenn es seine vor kurzer Zeit ergangene Rechtsprechung mit der hier besprochenen Entscheidung wieder revidiert.

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