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Sachgrundlose Befristungen nur einmal zulässig

Rund acht Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland sind befristet beschäftigt. Unter den jüngeren Arbeitnehmern ist der Anteil deutlich höher: Laut einer Analyse der Hans-Böckler-Stiftung hat fast jeder fünfte abhängig Beschäftigte unter 35 Jahren einen befristeten Arbeitsvertrag, mehr als 60 Prozent aller befristet Beschäftigten in Deutschland sind jünger als 35.

Inwieweit mehrere sachgrundlose Befristungen in einem Arbeitsverhältnis möglich sein können, hat das Bundesarbeitsgericht in den vergangenen Jahren definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu nun allerdings ein eindeutiges abweichendes Urteil gefällt und stellt damit die bisherige BAG-Rechtsprechung in Frage.

(BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14)

Ein Arbeitsvertrag kann zeitlich unbegrenzt oder befristet abgeschlossen werden. Ist der Vertrag befristet, endet er entweder nach dem Eintritt eines bestimmten Zwecks (Zweckbefristung) oder mit Ablauf eines bestimmten Datums (Zeitbefristung). Befristet werden kann ein Arbeitsvertrag aus einem Sachgrund, z.B. zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Sachgrundlos befristet werden kann nur unter engen Voraussetzungen. Genau um diese Voraussetzungen ging es im aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Berufsfreiheit

Ein Mann hatte bei einem großen Autozulieferer gearbeitet. Dabei war er wiederholt befristet angestellt worden. Durch die Instanzen klagte er auf unbefristete Einstellung. Ohne Erfolg. Er erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde.

Die mehr als einmal stattfindende sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen sei nicht rechtmäßig und verletze ihn in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz auf Art. 3 Abs. 1 GG. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), die den gegen den Kläger ergangenen Entscheidungen zugrunde lag, sei zudem mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar. Die Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung sei überschritten worden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stand damit vor der Aufgabe, die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu überprüfen

BAG-Rechtsprechung nicht verfassungsgemäß?

Die Befristung von Arbeitsverträgen ist in § 14 Abs. 2 TzBfG geregelt. Danach darf ein Arbeitsverhältnis höchstens für die Dauer von zwei Jahren sachgrundlos befristet werden. Diese Befristungsabrede darf auch höchstens dreimal verlängert werden.

  • 14 Abs. 2 TzBfG besagt allerdings auch, dass eine Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Das BAG hat in seinen Entscheidungen zu Befristungen in den letzten Jahren jedoch stets entschieden, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG so zu verstehen sei, dass dieselben Arbeitsvertragsparteien nach einer Unterbrechung von drei Jahren erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertag schließen dürfen.

Dies begründete es damit, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG von einem „bereits zuvor“ bestehenden Arbeitsverhältnis spreche. Das sei nicht eindeutig auszulegen. Es könne etwa „jemals zuvor“, „irgendwann zuvor“ oder „unmittelbar zuvor“ bedeuten. Es folge aus dem Gesetz außerdem nicht, dass „bereits zuvor“ im Sinne von „jemals zuvor“ gemeint sei.

Der Zweck von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei zudem nur, Kettenbefristungen zu verhindern und somit den Arbeitnehmer zu schützen. Ein lebenslanges Verbot der sachgrundlosen Befristung bei demselben Arbeitgeber sei dafür aber nicht geboten.

Nehme man also an, dass eine sachgrundlose Befristung nur bei erstmaliger Anstellung möglich sei, schränke man die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, so das BAG.

Ein Missbrauch von Kettenbefristungen könne allerdings verhindert werden und Arbeitnehmer hätten trotzdem die Freiheit einer flexiblen befristeten Anstellung, wenn man davon ausgehe, dass ein dreijähriger Zwischenzeitraum zwischen der vorherigen Anstellungen und der jetzigen für eine sachgrundlose Befristung ausreiche.

BVerfG: Mehrfache sachgrundlose Befristungen verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht entschied gegenteilig: mehrfache sachgrundlose Befristungen und damit auch die Rechtsprechung des BAG seien verfassungswidrig.

Sachgrundlose Befristungen seien grundsätzlich zulässig – aber nur einmal bei demselben Arbeitgeber. So habe es auch der Gesetzgeber im Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG klar geregelt und damit keinen Raum für weitere Rechtsfortbildung gelassen. Das BAG habe hiermit unzulässige Rechtsfortbildung betrieben.

Das Verbot sachgrundloser Mehrfachbefristung greife zwar in die Berufswahlfreiheit der Arbeitnehmer, sowie in die Berufsfreiheit der Arbeitgeber ein (Art 12 Abs. 1 und 2 GG), es gäbe aber genug Alternativen, um dieses Dilemma zu lösen. So könne z.B. mit einem Sachgrund befristet werden

In wenigen Ausnahmen soll § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG allerdings auch in Zukunft einschränkbar bleiben. Dies sei dann der Fall, wenn die Gefahr einer Kettenbefristung nicht bestehe und unbefristete Arbeitsverhältnisse die Regelbeschäftigungsform seien.

Als Beispiele nennt das BVerfG die Fälle, dass eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders bestand oder von sehr kurzer Dauer war. Damit werden zum Beispiel geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder Werkstudentenjobs umfasst.

Erfolg für Arbeitnehmer, Ärger für Arbeitgeber und Schwierigkeiten in der Praxis?

Für Arbeitnehmer ist die Entscheidung des BVerfG ein Erfolg. Selbst bei länger zurückliegenden Anstellungen müssen sie nun bei Neuanstellungen keine Befristung fürchten. Für Arbeitgeber hingegen verringert dies natürlich Handlungsspielraum und Flexibilität.

Experten kritisieren zudem, dass die durch das BVerfG neu genannten Ausnahmen zu schwammig sein. Es sei damit schwer, in der Praxis festzustellen, wann nun genau eine Ausnahme gemacht werden dürfe.

Dies wird sich wohl in Zukunft durch die Rechtsprechung zeigen müssen.

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