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Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit?!

Anspruch von Arbeitnehmenden auf Auskunft über das Vergleichsentgelt, die diskriminierungsfreie Entgeltdifferenz & Entschädigung

Das Problem:

Arbeitnehmerinnen erhalten in Deutschland durchschnittlich ein geringeres Arbeitsentgelt als Arbeitnehmer.

Eine Frau verdient in Deutschland durchschnittlich 18% (unbereinigter Gender Pay Gap des Statistischen Bundesamtes) weniger als ein Mann. Dieser Verdienstunterschied nimmt mit dem Alter nahezu kontinuierlich zu. So beträgt der unbereinigte Verdienstunterschied bei den 30-Jährigen noch 8%. Am höchsten ist er mit 27% bei den 57- bis 61-Jährigen. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt. In der Europäischen Union weisen nur Estland, Österreich und die Tschechische Republik einen höheren Verdienstunterschied auf.

Deutlich mehr als ein Drittel des unbereinigten Verdienstunterschieds ist darauf zurückzuführen, dass Arbeitnehmende auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Durchschnitt 6 % weniger pro Stunde verdienen als ihre männlichen Kollegen (Statistisches Bundesamt).

Dies zeigt deutlich, dass der Grundsatz gleiches Entgelt für gleiche Arbeit für die meisten Arbeitnehmerinnen keine Realität darstellt.  

Die Rechtslage: Arbeitgebende dürfen Arbeitnehmerinnen für die gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringeres Entgelt zahlen als Arbeitnehmern.

Art. 157 AEUV

Auf europäischer Ebene ist bereits seit 1959 geregelt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gleiches Entgelt erhalten müssen. Inzwischen ist dies in Art. 157 AEUV normiert.

Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Nach §§ 7, 1 AGG ist es Arbeitgebenden auch auf nationaler Ebene verboten, Arbeitnehmende wegen ihres Geschlechts zu benachteiligen. Darunter fällt auch die Benachteiligung beim Entgelt. Verstößt der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hiergegen, bestehen Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG. Um diese geltend zu machen, müssen die Arbeitnehmenden jedoch Indizien vortragen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen (§ 22 AGG).

Für viele Arbeitnehmenden bestand das Problem schlicht darin, dass sie das Arbeitsentgelt ihrer Kollegen nicht kannten. Daher konnten viele Arbeitnehmerinnen nur schwer Indizien für eine Entgeltbenachteiligung vorbringen.

Entgelttransparenzgesetz

Seit 2017 gilt das Entgelttransparenzgesetz (im Folgenden: EntgTranspG). Dieses ermöglicht es Arbeitnehmenden in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten vom Arbeitgeber Auskunft über das Vergleichsentgelt von Kolleg*innen des anderen Geschlechts zu verlangen, die die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben. Das Auskunftsrecht erstreckt sich auch auf die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung. Arbeitgebende sind nach § 4 EntgTranspG auch zur Objektivierung des Entgeltsystems verpflichtet. Der Auskunftsanspruch berechtigt Arbeitnehmende nicht nur zur Überprüfung, ob ihr Entgelt niedriger ist als das Vergleichsentgelt des anderen Geschlechts. Liegt das Entgelt unter dem des Vergleichsentgelts, begründet dies die Vermutung nach § 22 AGG, dass die betreffende Arbeitnehmende eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG erfahren hat.

Nach der aktuellen Fassung des Entgelttransparenzgesetzes besteht der Auskunftsanspruch allerdings nur, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 200 Beschäftigte hat (§ 12 Abs. 1 EntgTranspG). Zu beachten ist ferner, dass das Auskunftsverlangen nicht beliebig häufig gestellt werden kann, sondern nur alle 2 Jahre. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Arbeitnehmende darlegen können, dass sich die Voraussetzungen wesentlich geändert haben. Auch besteht der Auskunftsanspruch nur, wenn mindestens sechs Arbeitnehmer des anderen Geschlechts eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben. Das Vergleichsentgelt wird gemäß § 11 Abs. 3 EntgTranspG als Vollzeitäquivalent des hochgerechneten statistischen Medians des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts sowie der genannten Entgeltbestandteile des jeweils anderen Geschlechts jeweils bezogen auf ein Kalenderjahr angegeben.

Problematisch an dem EntgTranspG ist, dass es in der Praxis kaum zur Anwendung kommt. Dies liegt zum einen an der engen Begrenzung des Anwendungsbereiches. Doch selbst in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten wurde der Auskunftsanspruch nur in 19% der befragten Betriebe mindestens einmal geltend gemacht.

EU- Entgelttransparenzrichtlinie

Diese Probleme hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt. Am 06.06.2023 ist die Richtlinie (EU) 2023/970 des europäischen Parlaments und Rates (im Folgenden: Entgelttransparenzrichtlinie) in Kraft getreten. Dabei gehen die Regelungen der Entgelttransparenzrichtlinie deutlich über die bisherigen Regelungen des EntgTranspG hinaus.  

In Zukunft besteht der Auskunftsanspruch unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmenden, auch besteht keine zeitliche Begrenzung des Anspruches, dass der Anspruch nur alle zwei Jahre nach einem vorherigen Auskunftsersuchen gestellt werden kann. In Zukunft müssen auch nicht mindestens 6 Arbeitnehmende des anderen Geschlechts gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten ausüben. Zusammenfassend besteht der Auskunftsanspruch also jederzeit unabhängig von der Beschäftigtenzahl.

Auch wenn die Entgelttransparenzrichtlinie bereits in Kraft getreten ist, bedeutet dies aktuell nicht, dass Arbeitnehmende unmittelbare Rechte und Pflichten aus der Entgelttransparenzrichtlinie herleiten können. Der deutsche Gesetzgeber hat noch bis zum 07.06.2026 Zeit, um alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie einzuführen. Für den deutschen Gesetzgeber bedeutet dies insbesondere eine Überarbeitung und Anpassung an das EntgTranspG. Sollte der deutsche Gesetzgeber die Entgelttransparenzrichtlinie nicht bis zum 07.06.2026 umgesetzt haben, würden sich bis zur Umsetzung der Richtlinie unmittelbare Rechte und Pflichten aus dieser begründen.

Die Lösung:

Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmende nach der aktuellen und nach der zukünftigen Rechtlage

Das großartige an dem Entgelttransparenzgesetz und erst recht bei der Entgelttransparenzrichtlinie ist, dass insbesondere Arbeitnehmerinnen ermächtigt werden, sich für die eigene Lohngerechtigkeit einzusetzen. Das EntgTranspG ermächtig einige Arbeitnehmende, die bei größeren Betrieben angestellt sind, bereits jetzt für ihre Lohngleichheit einzustehen. Und für alle anderen Arbeitnehmenden schafft die Entgelttransparenzrichtlinie spätestens ab dem 07.06.2026 diese Möglichkeit.  

Auskunftsanspruch nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG

Arbeitnehmende können sich im ersten Schritt an ihre Arbeitgebende oder Betriebsrat mit einem Auskunftsersuchen nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG wenden, um das Vergleichsentgelt der Arbeitnehmenden des anderen Geschlechts zu erfahren.

Das Auskunftsersuchen muss in Textform an die Arbeitgebenden erstellt werden. In dem Ersuchen muss noch ausdrücklich Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung für die Festlegung des eigenen und für die Vergleichstätigkeit gezahlten durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts verlangt werden.  Nach der Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie muss dies nicht mehr ausdrücklich verlangt werden, sondern die Arbeitgebenden sind von sich aus verpflichtet, Arbeitnehmenden über den Auskunftsanspruch und über die Kriterien und Entgeltfestlegung zu informieren.

Zudem erstreckt sich der Auskunftsanspruch auf das Vergleichsentgelt. Arbeitnehmende können Auskunft über das Bruttomonatsentgelt sowie zwei einzelne Entgeltbestandteile (z. B. Grundentgelt & Leistungsvergütung) verlangen. Dieses wird nach der aktuellen gesetzlichen Lage angegeben als statistischer Median. Nach Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie wird die Auskunft über das Vergleichsentgelt nicht mehr als statistischer Median angegeben, sondern als durchschnittliche Entgelthöhe der Vergleichsgruppe. Ferner müssen Arbeitnehmende bereits die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen.

Das Verfahren zum Auskunftsverlangen ist dann davon abhängig, ob Arbeitgebende tarifgebunden oder tarifanwendend sind. Bei tarifgebundenen und tarifanwenden Arbeitnehmenden richtet sich das Verfahren zum Auskunftsanspruch nach § 14 EntgTranspG. Bei nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Arbeitgebenden richtet sich das Verfahren nach § 15 EntgTranspG. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass Arbeitgebende bei Verfahren bei nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Arbeitgebenden lediglich drei Monate nach Zugang des Auskunftsverlangen Zeit hat, um eine Auskunft in Schriftform zu erteilen. Wenn Arbeitgebende ihre Auskunftspflicht nicht erfüllen, tragen sie im Streitfall nach § 15 Abs. 5 EntgTranspG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt.

Auskunft mit dem eigenen Entgelt abgleichen

Wurde die Auskunft erteilt, sollte das Vergleichsentgelt unbedingt mit dem eigenen Entgelt verglichen werden. 

Ggf. Anspruch auf diskriminierungsfreie Entgeltdifferenz & Entschädigung

Liegt das Gehalt unter dem des Vergleichsentgelts, begründet dies die Vermutung nach § 22 AGG, dass die betreffende Arbeitnehmende eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG erfahren hat. Kann der Arbeitgebende diese Vermutung nicht widerlegen, können die jeweils betroffenen Arbeitnehmenden einen Anspruch auf gleiches Entgelt sowohl aus dem unmittelbar anwendbaren Art. 157 AEUV als auch - für die Zeit ab Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes - aus § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auch für das Entgelt in der Vergangenheit geltend machen. Zusätzlich kann der jeweilige betreffende Arbeitnehmende einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG geltend machen.

Hierbei ist nur wichtig, dass Arbeitnehmende diese Ansprüche fristgerecht geltend machen. Dabei ist insbesondere für die Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 AGG zu beachten, dass diese innerhalb einer Frist von 2 Monaten gegenüber dem Arbeitgebenden schriftlich geltend gemacht werden müssen.

Der Anspruch auf diskriminierungsfreie Entgeltdifferenz unterliegt zwar nicht der Frist von 2 Monaten nach § 15 Abs.5 AGG, jedoch können hier vereinbarte Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag greifen, so dass diese auf jeden Fall geprüft werden sollten.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Frauen erhalten für die gleiche/gleichwertige Arbeit ein durchschnittlich niedrigeres Gehalt als ihre Kollegen. Aktuell können Frauen in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmenden (nach Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie ohne Schwellenwert) Auskunft über das Vergleichsentgelt ihrer männlichen Kollegen erhalten. Sollten sie durch diese Auskunft erfahren, dass sie einen niedrigen Lohn ohne Grund als ihre Kollegen erhalten, besteht eine Vermutung für eine Entgeltdiskriminierung mit der Folge, dass eine auf diskriminierungsfreie Entgeltdifferenz & Entschädigung besteht, wenn Arbeitgebende diese Vermutung nicht widerlegen können.

Nun haben es Arbeitnehmerinnen in der Hand dafür zu sorgen, dass Arbeitgebende sie nicht mehr aufgrund ihres Geschlechtes im Entgelt diskriminieren. Wie schon Goethe schrieb:

„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“

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