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Probezeitkündigung treuwidrig – Wenn Arbeitgebende ihr Wort brechen

Probezeitkündigung treuwidrig – Wenn Arbeitgebende ihr Wort brechen

In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.01.2025 – 3 SLa 317/24) entschieden: Wenn ein Arbeitgebender einem Arbeitnehmenden kurz vor Ablauf der Probezeit mitteilt, dass er übernommen werde, dann aber plötzlich kündigt, liegt hierin ein klarer Bruch mit dem vorherigen Verhalten. Eine solche Kündigung in der Probezeit ist unwirksam, auch wenn das Kündigungsschutzgesetz (noch) nicht greift – nämlich wegen Treuwidrigkeit (§ 242 BGB). Das Urteil ist nicht nur juristisch interessant, sondern zeigt auch:

Wer Vertrauen schafft, muss sich an den eigenen Worten messen lassen.

Worum ging es?

Ein Arbeitnehmer wurde im Dezember 2023 noch während seiner Probezeit gekündigt. Zuvor hatte sein direkter Vorgesetzter, ein Abteilungsdirektor mit Prokura und Personalbefugnis, ihm jedoch unmissverständlich erklärt: „Das tun wir natürlich“, als er gefragt wurde, ob er mit Blick auf die Probezeit übernommen werde. Der Mitarbeiter verließ sich darauf, suchte keine andere Stelle – und wurde trotzdem zwei Wochen später gekündigt.

Was sagt das Gericht?

Das Landesarbeitsgericht stellte klar: Diese Kündigung ist unwirksam, weil sie gegen Treu und Glauben verstößt (§ 242 BGB). Entscheidender Punkt: Der Arbeitnehmer durfte aufgrund der eindeutigen Aussage seines personalbefugten Vorgesetzten berechtigterweise darauf vertrauen, dass er die Probezeit bestanden hatte und nicht mehr mit einer Kündigung rechnen musste.

Allgemeine rechtliche Ausführungen:

  • Zwar dürfen Arbeitgebende in den ersten sechs Monaten ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes kündigen, da das Kündigungsschutzgesetz noch nicht gilt (§ 1 Abs. 1 KSchG).

  • Doch auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes wirkt die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB, welche im Lichte des Art. 12 Abs.1 GG auszulegen und anzuwenden ist.

  • Eine Kündigung kann insbesondere dann treuwidrig sein, wenn sie im Widerspruch zu vorherigem Verhalten der Arbeitgebenden steht (Grundsatz: „venire contra factum proprium“ – „es widerspricht sich, wer gegen sein eigenes früheres Verhalten handelt“).

  • Nicht jedes widersprüchliche Verhalten begründet den Vorwurf der Treuwidrigkeit nach § 2242 BGB. Ein widersprüchliches Verhalten wird erst dann missbräuchlich, wenn ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.

  • Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich eine Treuwidrigkeit ergibt, liegen bei den Arbeitnehmenden. Aber der durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Schutz führt zu einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmenden:

1.     Stufe: der Arbeitnehmende muss, soweit er die Überlegung des Arbeitgebenden nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit indiziert.

2.     Stufe: der Arbeitgebende muss sich sodann im Einzelnen auf den Vortrag einlassen und diesen bekräftigen, ansonsten gilt der Vortrag des Arbeitnehmenden als zugestanden.

Rechtliche Ausführungen zu dem konkreten Fall:

  • Der Arbeitnehmende hat schlüssig ein widersprüchliches Verhalten der Arbeitgebenden vorgetragen, aufgrund dessen ein Vertrauenstatbestand beim Arbeitnehmenden entstanden ist, welchem die Arbeitgebende nicht rechtserheblich entgegengetreten ist.

  • Widersprüchliches Verhalten: Kündigt ein Vorgesetzter einem Arbeitnehmenden während der Probezeit ordentlich, obwohl er diesem kurz zuvor verbindlich zugesichert hatte, dass er „natürlich“ mit Blick auf die Probezeit übernommen werde, so stellt dies ein widersprüchliches Verhalten dar. Dies gilt dann, wenn der Vorgesetzte zugleich Prokurist des Unternehmens sowie für Personalentscheidungen in der Abteilung zuständig ist und zwischen der Zusage und der Kündigung keine sachlichen Gründe oder neuen Umstände eingetreten sind, die einen Sinneswandel nachvollziehbar erscheinen ließen.

  • Vertrauenstatbestand: Dabei legt das Landesarbeitsgericht das Wort „übernehmen“ bei einer Äußerung im sechsten Monat bei einer deckungsgleichen Dauer der Probe- und Wartezeit dahingehend aus, dass damit nicht nur eine längere Kündigungsfrist gemeint ist, sondern die Äußerung den Vertrauenstatbestand beim Arbeitnehmenden schafft, dass das Arbeitsverhältnis nicht in den ersten sechs Monaten beendet werden soll und sich der Arbeitnehmende daher nicht um eine anderweitige Beschäftigung bemühen muss.

Warum ist das Urteil so bedeutsam?

Es zeigt: Auch ohne Kündigungsschutzgesetz kann eine Kündigung unwirksam sein – wenn sich Arbeitgebende widersprüchlich verhalten und einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben. Arbeitgebende, die frühzeitig Vertrauen schaffen oder Zusicherungen machen, setzen sich selbst Grenzen. Wer deutlich mit Personalbefugnis sagt „Du bleibst“, kann sich nicht zwei Wochen später kommentarlos vom Gegenteil leiten lassen.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Für Arbeitnehmende: Wer eine klare (beweisbare) mündliche Zusage erhält, kann sich darauf unter Umständen rechtlich berufen, solange der Zusagende zuständig personalbefugt ist.

  • Für Arbeitgebende: Kommunikation mit Mitarbeitenden – insbesondere in Probezeit und Wartezeit – sollte sorgfältig und abgestimmt erfolgen. Versprechen oder zuversichtliche Aussagen von entscheidungsbefugten Führungskräften können bindend wirken.

Fazit:
Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, ist der Vertrauensschutz des Arbeitnehmenden nicht „schutzlos“. Wer als Arbeitgebender Erwartungen weckt, muss sich daran messen lassen. Und manchmal ist ein leichtfertiger Satz wie „Das tun wir natürlich“ der Beginn eines Rechtsstreits – der deswegen verloren wird.

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