Was gibt's Neues?

Neues im Kirchenarbeitsrecht: Kirchliche Stellen auch für Konfessionslose

BAG, Urteil vom 25.10.2018, 8 AZR 501/14

Kirchliche Arbeitgeber dürfen Bewerber bei Stellenausschreibungen nicht aufgrund ihrer fehlenden Religionszughörigkeit ablehnen. Tun sie es dennoch, fallen Entschädigungszahlungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) an. Das BAG folgt mit seiner Entscheidung der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 17. April 2018, Az. C-414/16).

Einstellungsvoraussetzung? Christlich sein!

Die Beklagte, ein Werk der evangelischen Kirche in Deutschland, schrieb am 25.11.2012 eine auf zwei Jahre befristete Stelle als Referent/Referentin (60 %) aus. Im Rahmen der Tätigkeit sollte schwerpunktmäßig der Parallelbericht zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland erarbeitet werden. Darüber hinaus galt es Stellungnahmen und Fachbeiträge zu verfassen und die Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechtsorganisationen projektbezogen zu vertreten. Ebenfalls Teil der Aufgabe war die Mitarbeit in Gremien. Der Parallelbericht sollte in Beratung mit Menschenrechtsorganisationen und weiteren Interessenträgern erstellt werden.

Als besondere Einstellungsvoraussetzung sah die Stellenausschreibung vor:

Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“

Die konfessionslose Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 29. 11. 2012 auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Beklagte besetzte die Stelle mit einem evangelischen Bewerber.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens 9.788,65 € verlangt Das Arbeitsgericht hat der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von. 1.957,73 € zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage hingegen insgesamt abgewiesen.

Benachteiligung wegen der Religion nicht gerechtfertigt

Indem die konfessionslose Klägerin aufgrund ihrer fehlenden Religionszugehörigkeit von der zu besetzenden Stelle ausgeschlossen wurde, sei sie wegen ihrer Religion benachteiligt worden, urteilte das BAG. Diese Benachteiligung sei auch nicht ausnahmsweise gemäß § 9 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. § 9 Abs. 1 AGG lautet (verkürzt; Hervorhebung durch uns):

„Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, ist auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“

Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheide aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG könne nicht gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtkonform ausgelegt und dürfe daher nicht angewendet werden.

Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG – in unionsrechtskonformer Auslegung – sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft beziehungsweise Einrichtung darstellt.

Keine Beeinträchtigung des kirchlichen Ethos

Das BAG bezweifelte, dass es sich bei der Religionszugehörigkeit um eine wesentliche berufliche Anforderung für die ausgeschriebene Tätigkeit handelte. Jedenfalls sei die berufliche Anforderung dahingehend nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folge im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin – wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich – in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte.

Der Höhe nach setzte das BAG die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste fest.

Praxistipp: Änderungsbedarf bei der Personalpolitik kirchlicher Arbeitgeber

Das kirchliche Arbeitsrecht kennt eine Reihe arbeitsrechtlicher Besonderheiten: Kirchliche Arbeitnehmer dürfen nicht streiken, anstelle von Betriebs- oder Personalräten sind – häufig deutlich weniger durchsetzungskräftige – Mitgliedervertretungen der Ansprechpartner bei betrieblichen Entscheidungen und interne Regelwerke geben den Mitarbeitern strenge Loyalitätspflichten auf, bei denen im Falle des Verstoßes als Konsequenz im schlimmsten Fall die Kündigung drohen kann.

Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen rührt aus Art. 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung her, der gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist. Danach darf jede Religionsgemeinschaft sich selbst verwalten und ihre Ämter ohne Einfluss des Staates vergeben. Diese Regelung gilt für alle Religionsgemeinschaften, unabhängig davon, ob sie privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert sind.

Diese Rechte basieren auf dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Artikel 4 des Grundgesetzes und dem staatskirchenrechtlichen Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.

Bisher wurde dieses Sonderrecht oft dahingehend genutzt, dass bei kirchlichen Arbeitgebern nur Bewerber eine Chance hatten, die auch der entsprechenden Religionsgemeinschaft angehörten. Diese arbeitsrechtliche Sonderstellung gerät nun ins Wanken – dabei ist die Entscheidung des BAG keine Überraschung.

Zuvor hatte nämlich bereits der EuGH entschieden (hier geht’s zu unserem Blogeintrag http://icl-rechtsanwaelte.de/das-kirchliche-arbeitsrecht-vor-dem-eugh/), dass eine Einstellung grundsätzlich keine Frage der Konfession sein kann. Das BAG schließt sich dem EuGH mit der aktuellen Entscheidung dahingehend an, dass kirchliche Arbeitgeber von Bewerbern nicht in jedem Fall eine Religionszugehörigkeit fordern dürfen.

Was bedeutet dies für die Praxis? Kirchliche Arbeitgeber werden in Zukunft bei ihrer Einstellungs- und Personalpolitik umdenken müssen. Wie ein „normaler“ Arbeitgeber gilt es verstärkt die Anforderungen des AGG zu beachten und einzuhalten. Dies ist insbesondere dahingehend von Bedeutung, dass der EuGH jüngst zudem entschieden hat, dass es sich bei der Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen dessen Wiederheirat in einem von einer kirchlichen Einrichtung getragenen Krankenhaus um eine Diskriminierung handelt (http://icl-rechtsanwaelte.de/das-kirchliche-arbeitsrecht-vor-dem-eugh-teil-2/). Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis das BAG auch diese Rechtsprechung umsetzt. Für diese und weitere Neuerungen ist man besser vorbereitet.

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